Die Strecke | Anfahrtsskizze| Barrierefrei | Bahnanlagen

Amstetten-Oppingen

Streckenbeschreibung


Man findet nur wenige ehemals durchgehende Flußtäler in Nord-Süd-Richtung, welche die Hochfläche der Schwäbischen Alb durchbrechen. Einer dieser Talzüge, der beim Herausbrechen der Weißjura-Albplatte brach und dabei die landschaftsprägende Abrißkante, den Albtrauf, bildete, ist das Talpaar Fils/Lone. Dessen Paß zwischen Geislingen und Amstetten, die "Geislinger Steige", bildet gleichzeitig die niedrigste Stelle des Albtraufs in dieser Region. Damit stellt die Steige (gesprochen: "Staige") einen günstigen, uralten Verkehrsweg dar, den seit 1850 auch die württembergische Hauptbahn Stuttgart - Ulm nutzte. Den eigentlichen Aufstieg auf die Albhochfläche vollbrachten die beiden Zweigstrecken der WEG nach Laichingen und Gerstetten. Die Fahrt nach Laichingen zeigte dabei zwei herausragende Landschaftselemente der Alb: Erst ein enges, wasserloses Tal, dann die weite, sanftkuppige Flächenalb auf der Höhe.

In Amstetten nimmt die Fahrt gegenüber dem Bahnhof der Hauptbahn ihren Ausgang. Das Alb-Bähnle rollt zunächst südlich, parallel zur Hauptbahn in Richtung Ulm und überquert dabei die Verbindungsstraße nach Amstetten-Dorf. Drüben mag gerade ein stolzer Schnellzug vorüberrauschen, dessen Reisende sich für einige Sekunden erstaunt die Nasen an der Scheibe plattdrücken. In einem Bogen durchstechen wir in tiefem, kurzen Einschnitt eine Geländenase, deren helles Weißjuragestein die geologische Beschaffenheit der Alb offenbart. Anschließend schwenkt das Zügle in einer großen S-Kurve nach rechts zum sich verengenden Duital ab. Links schiebt sich das große Werk der Heidelberger Druckmaschinen AG und die Landstraße nach Nellingen ins Bild, rechts zeigt sich ein typisches Attribut der Alb, ein mit schlanken Säulenwacholdern bestander Trockenrasenhang. Vielleicht taucht auch eine Herde Schafe auf, denn nur durch das regelmäßige Beweiden dieser Flächen halten die Tiere alle anderen Sträucher außer dem dornigen und bitteren Wacholder kurz, so daß dieser seine elegant-düsteren Wuchsgestalten bilden kann.

Ein Pfiff der Lok macht uns auf den kommenden Bahnübergang des nächsten Verbindungsweges nach Amstetten-Dorf aufmerksam, der hinter dem zweiten Felseinschnitt liegt. Hier befand sich in den ersten Betriebsjahren die Ladestelle Amstetten Steinbruch.

Während auf einem kurzen Damm ein Seitental überquert wird, weicht das lustige "wuschwusch" unseres Zugpferdes einem angestrengten, harten "wuff-wuff", denn die bisher nur leicht angestiegene Strecke tritt jetzt in den Steilstreckenabschnitt ein. Es gilt, rund 50 Tonnen Zuggewicht in der Steigung von 1:35, das ist ein Meter Anstieg auf 35 Längenmeter (2,9 %) in Bewegung zu halten. Über den Schnellzug von vorher würde die 99er wohl nur lächeln, denn die vielgerühmte Geislinger Steige hat nur eine Neigung von 1:43 (2,3 %), und außerdem: Werde Du, liebe Schnellzuglok, erst einmal über 90 Jahre alt . . .

Nach Passieren eines weiteren Einschnittes hat sich die Szenerie stark verändert: Das stille, von keinem Gewässer oder Weg durchzogene Duital hat uns ganz aufgenommen, und am oberen Rand des Sonnenhangs fügt sich der Bahnkörper mit dem weißen Schotterbett so schmal und unauffällig ein, als würde er schon immer dazugehören. Wer für die weitere Ausdehnung des Straßenverkehrs mit "umweltfreundlichem" Straßenbau oder "lärmarmen" Fahrzeugen plädiert, überzeuge sich hier, wie verträglich und harmonisch sich nur die Eisenbahn in die Umwelt einfügen kann. Ein Wort zur Dampflok: Was dem Kamin entsteigt, ist hauptsächlich Wasserdampf, je nach Betriebszustand vermischt mit Kohlenrußpartikelchen, praktisch jene Emmission, die auch beim Abbrennen eines Holz- oder Kohlefeuers entsteht. In ihrer Art und vor allem in der Größenordnung sind diese Hinterlassenschaften relativ unbedenklich.

Bevor sich das Tal vollends zu einer dunklen Waldklinge verengt, beunruhigen uns vielleicht die Bremsen - nicht die des Zuges (die sind geprüft), sondern jene am Waldrand herumschwirrenden Stechinsekten, die das Züglein mit seinem Inhalt als willkommenes rollendes Büffet zu betrachten scheinen; jedoch wird deren Eifer dank der Rauchschwaden gedämpft. Schließlich weicht der Wald zurück, wir queren den Fahrweg nach Reutti, und das Tal weitet sich mit Wiesen und einzelnen Gehölzgruppen zu einem immer größeren Panorama. Wie ein grüner Tunnel wölben sich für einige Augenblicke kräftige Buchenkronen über den Wagendächern. Mit geschwungener Linienführung folgt das Gleis jetzt dem linken Talrain, während der Wald weit zurückgetreten ist. Nochmals tritt links dunkler Nadelwald, rechts ein Hügel dicht an die Bahn heran, dann kommt ein Fachwerkbau in Sicht: Die heutige Endstation Oppingen. Über dem endlos erscheinenden Horizont wallender Ähren schiebt sich links ein roter, spitzer Dachgiebel empor: Der Oppinger Kirchturm kündet von der Existenz des Dorfes. Jetzt wird auch der Bahnhof in seiner bescheidenen Ausdehnung richtig erkennbar: Zwei Gleise, ein ebenso architektonisch ansprechendes wie winziges Riegelfachwerkhäuschen mit schiefergedecktem Krüppelwalmdach, Wartehalle und angebautem Güterschuppen - der Substanz gewordene Wunschtraum eines phantasiebegabten Spielzeugeisenbahners, wie es scheint, jedoch Zeugnis einer vergangenen Ingenieurbaukunst, die den Anspruch absoluter Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit noch mit dem der Gefälligkeit und menschengerechten Gestaltung zu verbinden wußten.

Ankunft

Soeben ist der Zug in Oppingen eingefahren. Die Reisenden genießen noch den Hauch Nostalgie, der über dem Bahnhof liegt. Manche starten zu einer Wanderung durch die reizvolle Gegend (siehe auch unsere Service-Seiten mit Wanderungen ab Oppingen: Route 1 | 2 | 3 | 4). Andere nutzen die Zeit bis zur Rückfahrt, um sich in unserem Vereinsheim zu stärken.

Foto: (c) Daniel Saarbourg

"Oppenga", ruft jetzt der Schaffner, "Oppenga", denn mit quietschenden Bremsen sind wir am Bahnsteig angekommen. Ausgerechnet die früher unbedeutendste Station der Laichinger Bahn bildet jetzt den Endbahnhof und ist in aller Munde! Nur einmal zuvor, Mitte der dreißiger Jahre beim Autobahnbau, war hier etwas geboten: Eine starke, eigens von der Härtsfeldbahn ausgeliehene Lok brachte schwere Güterzüge mit Baumaterial bis Oppingen, wo sie von einer regulären Laichinger Maschine übernommen und bis zur Baustelle bei Nellingen geschleppt wurden, denn dort bestand eine eigens angelegte Güterladestelle.

(Aus: Das Alb-Bähnle, von Hans-Joachim Knupfer)

Aktualisiert am 15.05.2016